Eine unterschätzte Gefahr – abhängig von Schlafmitteln mit Benzodiazepinen

Eine unterschätzte Gefahr - abhängig von Schlafmitteln mit Benzodiazepinen Eine unterschätzte Gefahr - abhängig von Schlafmitteln mit Benzodiazepinen (© Dan Race - Fotolia.com)

Die Bundesapothekenkammer schlägt Alarm: Wer längerfristig Schlafmittel mit den Wirkstoffen aus der Gruppe der Benzodiazepine einnimmt, riskiert eine Abhängigkeit. Die Zahl abhängiger Deutschen ist mit rund 500.000 erschreckend hoch. Wie kommt es zu solch einer hohen Zahl?

Der Weg aus der Sucht

Jeder kennt hin und wieder Schlafstörungen. Doch viele Menschen leiden unter einer dauerhaften Schlafstörung. Medikamente helfen zwar kurzfristig, doch bei längerer Einnahme drohen Gefahren von ganz anderen Seiten. Die Nebenwirkungen und die schleichende Entwicklung einer Abhängigkeit sind zwei elementare Aspekte.

Das Bundesgesundheitsministerium versucht mit einem Modellprojekt, Wege aus der Sucht aufzuzeigen. „Ambulanter Entzug benzodiazepin-abhängiger Patienten in Zusammenarbeit von Apotheker und Hausarzt“ – so nennt sich das Projekt. Es soll Betroffenen Lösungen aufzeigen, wie sie den Weg aus der Sucht in Zusammenarbeit mit der Apotheke und dem Hausarzt schaffen – in wenigen Wochen, so die Bundesapothekenkammer. Laut der Aussage der Kammer sind insgesamt mehr als eine Million deutscher Bundesbürger von Schlaf- oder Beruhigungsmitteln abhängig. Selbst wer seine Sucht erkannt hat, schafft kaum den Absprung ohne professionelle Hilfe. Einer Sucht ist nicht so leicht beizukommen, weswegen viele den Versuch relativ schnell wieder aufgeben. Erschwerend kommt noch hinzu, dass vielen Betroffenen nicht bewusst ist, welche Risiken bei der dauerhaften Schlafmittel-Einnahme auf sie lauern, so der Präsident der Bundesapothekerkammer, Dr. Andreas Kiefer.

Seiner Meinung nach besteht hier Handlungsbedarf. Die Wirksamkeit bei bestimmungsmäßigem Gebrauch ist unbestritten, so der Präsident, doch bei längerer Einnahme steigt das Risiko einer Abhängigkeit und nicht gewollten Nebeneffekten. So kommt es beispielsweise durch die muskelerschlaffende Wirkung oft zu Stürzen, zumal die Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit ebenfalls herabgesetzt ist. Wer von Benzodiazepinen abhängig ist, leidet oft unter einer Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens. Ebenso kann eine soziale Vereinsamung durch eingeschränkte Empfindungen im emotionalen Bereich eintreten.

Studie: Der Weg aus der Sucht

Das Ergebnis des Modellprojektes macht Mut: Insgesamt nahmen 102 Patienten, 63 Hausärzte und 46 Apotheken teil. Die Patienten wurden von den Apothekern in Zusammenarbeit mit den Hausärzten beraten. Mehrheitlich handelte es sich bei den Patienten um Frauen und das Durchschnittsalter belief sich auf Anfang 70. Nach Projektende zeigte sich, dass knapp die Hälfte der Patienten komplett auf Schlafmittel verzichten konnten und rund ein Drittel verringerte die Dosis erheblich. Somit war und ist das Projekt ein voller Erfolg.

Was können Betroffene selbst tun, um nicht in ein Suchtverhalten zu schlittern?

Wer noch nie Schlafmittel einnahm, sollte sich beim Arzt oder Apotheker erkundigen, ob das neu verschriebene Mittel zu der Gruppe der Benzodiazepinen gehört. Zudem sollte solch ein Präparat nur dann in Betracht gezogen werden, wenn alle anderen Maßnahmen wirkungslos blieben. Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin rät eindringlich dazu, Medikamente nur über einen sehr kurzen Zeitraum und in der niedrigsten Dosierung einzunehmen – wenn es denn überhaupt sein muss. Denn oft lässt sich die Einnahme von Schlafmedikamenten verhindern, wenn der Patient zu gewissen Änderungen bereit ist. Der Griff zur Medikamentenschachtel mag schnell gehen und von sofortiger Wirkung begleitet sein, doch die Gefahren stehen in keinem Verhältnis zum Nutzen.

Süchtig – und nun?

Wer den stillen Verdacht hat, bereits abhängig zu sein, sollte das Medikament keinesfalls selbstständig absetzen. Es drohen Entzugserscheinungen, die sich als zittrige Hände, Benommenheit, depressive Verstimmungen oder Angstgefühle äußern können. Dr. Andreas Kiefer rät, zusammen mit dem Arzt einen Abdosierungsplan zu erstellen, nach dem der Patient sich richten sollte.

Angehörigen rät er, die Patienten nicht direkt mit ihrer Sucht zu konfrontieren, sondern eher über die eigenen Befindlichkeiten im Hinblick auf das Suchtverhalten zu sprechen. Am besten suchen Angehörige selbst einen Arzt oder eine Suchtberatungsstelle auf, um sich gezielt zu informieren, wie sie sich dem Patienten gegenüber verhalten sollten.

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